Sozialgericht Frankfurt am Main

Ist die Krankengeldhöhe bei Selbständigen nachträglich zu korrigieren?

Nr. 02/2023

Das Sozialgericht hatte in drei Fällen über die Höhe des Krankengeldes bei Selbständigen zu entscheiden, wobei jeweils streitig war, welches Regelentgelt bei der Berechnung des Krankengeldes zugrunde zu legen ist.

Krankenkassen lehnten die Zahlung eines höheren Krankengeldes ab

Die Klägerinnen sind als Selbständige mit Anspruch auf Krankengeld bei den beklagten Krankenkassen freiwillig krankenversichert und erkrankten arbeitsunfähig. In zwei Fällen berechneten die Krankenkassen das Krankengeld anhand des bereits der Beitragsfestsetzung vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit zugrunde gelegten zwei Jahre alten Einkommensteuerbescheides. Im ersten der beiden Fälle (Az. S 14 KR 160/21) übersandte die Klägerin sodann nach der Bewilligung des Krankengeldes zwei Einkommensteuerbescheide der Folgejahre, die deutlich höhere Einkünfte aus Gewerbebetrieb auswiesen. Im zweiten Fall (Az. S 34 KR 1684/22) lag noch vor Entscheidung der Krankenkasse über die Gewährung von Krankengeld der aktuellere Einkommensteuerbescheid mit höheren Einkünften vor. In einem dritten Fall (Az. S 34 KR 727/21) machte die Klägerin im Krankengeldantrag Angaben zu ihren aktuellen Einkünften, ohne Belege beizufügen. Die Krankenkasse legte hier der Krankengeldberechnung die (niedrigeren) Einkommensangaben zugrunde, die die Klägerin zu Beginn ihrer Selbständigkeit ein halbes Jahr zuvor getätigt hatte und die Grundlage für die Festsetzung des Mindestbeitrages gewesen waren.

In allen drei Fällen lehnten die Krankenkassen - nach der Korrektur der Beitragshöhe - die Zahlung eines höheren Krankengeldes unter Verweis auf die gesetzliche Regelung zur Berechnung des Krankengeldes ab, die auf den Zeitpunkt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abstelle und eine nachträgliche Korrektur der Krankengeldhöhe nicht vorsehe. Grundlage der Krankengeldberechnung seien die vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit zur Beitragsfestsetzung getätigten Einkommensangaben.

Die Klägerinnen verfolgen mit ihren Klagen die Zahlung eines höheren Krankengeldes aufgrund höherer Einkünfte, da nachträglich höheren Beiträgen auch höhere Leistungen folgen müssten.

Sozialgericht: Keine nachträgliche Krankengelderhöhung

Das Sozialgericht hat im ersten Fall der Krankenkasse Recht gegeben und die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass das Arbeitseinkommen aus dem letzten, zwei Jahre alten Einkommensteuerbescheid sowohl zur Beitragsfestsetzung als auch zur Krankengeldberechnung heranzuziehen sei. Während das Gesetz seit 2018 hinsichtlich der Beitragseinstufung bei Selbständigen eine vorläufige und eine endgültige Festsetzung vorsehe, werde das Krankengeld nach dem Willen des Gesetzgebers weiterhin nur endgültig festgesetzt, da es zeitnah und verwaltungspraktikabel den Entgeltverlust durch Arbeitsunfähigkeit zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausgleichen soll. Eine Ausnahme gelte nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte vorlägen, dass der auf der Grundlage des § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V ermittelte Betrag erkennbar nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Versicherten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entspreche, was vor allem dann in Betracht komme, wenn nicht das tatsächliche Arbeitseinkommen laut Einkommensteuerbescheid, sondern ein fiktives Mindesteinkommen die Grundlage der Beitragsbemessung bilde. Werde ein Mindestbeitrag festgesetzt und bestünde eine evidente Diskrepanz zum tatsächlichen Einkommen, müsse das vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erzielte Arbeitseinkommen konkret ermittelt werden, da es kein fiktives Mindestkrankengeld gebe.

Dies hat das Sozialgericht im dritten Fall bestätigt. Allerdings ist die Klage ebenfalls erfolglos geblieben, weil zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Krankengeldantrag Belege und damit konkrete Anhaltspunkte für ein tatsächlich höheres Einkommen fehlten.

Im zweiten Fall hatte die Klage dagegen Erfolg, weil bereits vor Entscheidung der Krankenkasse über den Krankengeldantrag der aktuellere Einkommensteuerbescheid vorlag und damit tatsächlich höhere Einkünfte nachgewiesen waren, die der Beitrags- und Krankengeldberechnung hätten zugrunde gelegt werden müssen.

Sozialgericht Frankfurt am Main, Gerichtsbescheid vom 3. Juli 2023, Az.: S 14 KR 160/21 sowie Urteile ohne mündliche Verhandlung vom 21. Juli 2023, Az.: S 34 KR 1684/22 (nicht rechtskräftig) und S 34 KR 727/21 (nicht rechtskräftig).

Die Entscheidungen sind unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de eingestellt.

Hinweise zur Rechtslage

§ 47 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V):

Das Krankengeld beträgt 70 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt).

§ 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V:

Für Versicherte, die nicht Arbeitnehmer sind, gilt als Regelentgelt der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen maßgebend war.

§ 240 Abs. 4a SGB V:

1Die nach dem Arbeitseinkommen zu bemessenden Beiträge werden auf der Grundlage des zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheides vorläufig festgesetzt; dabei ist der Einkommensteuerbescheid für die Beitragsbemessung ab Beginn des auf die Ausfertigung folgenden Monats heranzuziehen; Absatz 1 Satz 2 zweiter Halbsatz gilt entsprechend. 2Bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit werden die Beiträge auf der Grundlage der nachgewiesenen voraussichtlichen Einnahmen vorläufig festgesetzt. 3Die nach den Sätzen 1 und 2 vorläufig festgesetzten Beiträge werden auf Grundlage der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen für das jeweilige Kalenderjahr nach Vorlage des jeweiligen Einkommensteuerbescheides endgültig festgesetzt. (…)

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